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Ferdinand Von Schirach | Quelle: youtube.com/tagesschau
Ferdinand Von Schirach | Quelle: youtube.com/tagesschau

„Peinlich“: Von Schirachs heftige Reaktion auf Ricarda Langs TikTok-Video

Natalia Shubina
17. Nov. 2025 - 16:25

In der jüngsten Ausgabe der ARD-Talksendung „Caren Miosga“ diskutierten Ferdinand von Schirach, die ehemalige Grünen-Parteivorsitzende Ricarda Lang und „Zeit“-Vizechefredakteur Martin Machowecz über die wachsende Vertrauenskrise in der deutschen Politik.

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Die Runde traf sich in einem Moment, in dem gesellschaftliche Polarisierung, politische Unzufriedenheit und strukturelle Überforderung vieler staatlicher Bereiche zugleich spürbar sind. Miosga stellte die Frage, warum viele Menschen das Vertrauen in demokratische Prozesse verlieren – und erhielt drei sehr unterschiedliche Antworten.

27. August 2022, Berlin: Ferdinand von Schirach begrüßt seine Gäste, bevor er im Berliner Ensemble aus seiner neuen Erzählsammlung „Nachmittag“ liest. | Quelle: Getty Images

27. August 2022, Berlin: Ferdinand von Schirach begrüßt seine Gäste, bevor er im Berliner Ensemble aus seiner neuen Erzählsammlung „Nachmittag“ liest. | Quelle: Getty Images

Ferdinand von Schirach kritisierte vor allem das System politischer Ankündigungen, das aus seiner Sicht weniger von Lügen geprägt sei, sondern von falschen Versprechen. Er sprach von einem Land, das an überwuchernden Verfahren, verwalteten Verzögerungen und stockenden Abläufen ermüde.

Seine Lösungsvorschläge fielen radikal aus: eine siebenjährige Kanzlerschaft, an einem Tag gebündelte Landtagswahlen und eine kleine Zahl vom Kanzler initiierter Gesetze, die nach verfassungsrechtlicher Prüfung ohne lange Parlamentswege verabschiedet werden könnten.

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Ricarda Lang | Quelle: youtube.com/tagesschau

Ricarda Lang | Quelle: youtube.com/tagesschau

Von Schirach warnte, Demokratien könnten ohne strukturelle Reformen gegenüber schnell handelnden Autokratien ins Hintertreffen geraten, auch wenn sie solche Systeme selbst nicht anstreben dürften. Er zitierte sogar eine zugespitzte Definition politischer Stagnation:

„Es ist vielleicht eine Definition von Dummheit, immer wieder das Gleiche zu machen und jedes Mal ein anderes Ergebnis zu erwarten.“

Für ihn ist die zentrale Gefahr nicht der Fehler an sich, sondern das wiederholte Festhalten an Strukturen, die er für überholt hält.

Ricarda Lang widersprach ihm in der Diagnose der Ursachen. Sie beschrieb den politischen Betrieb als „unheimlich von Angst getrieben“, in dem kaum Entscheidungen abseits der nächsten Umfrage getroffen würden. Für sie liegt die Wurzel der Stagnation weniger im System selbst als in einem übermäßig taktischen Politikstil, der aus ihrer Sicht durch gebündelte Landtagswahlen entschärft werden könnte.

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Ricarda Lang of German Greens Party appears onstage during day 3 of Philo.live! Festival at Silent Green on November 16, 2025 in Berlin, Germany. | Source: Getty Images Ricarda Lang von den Grünen tritt am dritten Tag des Philo.live! Festivals im Silent Green am 16. November 2025 in Berlin auf. | Quelle: Getty Images

Ricarda Lang of German Greens Party appears onstage during day 3 of Philo.live! Festival at Silent Green on November 16, 2025 in Berlin, Germany. | Source: Getty Images Ricarda Lang von den Grünen tritt am dritten Tag des Philo.live! Festivals im Silent Green am 16. November 2025 in Berlin auf. | Quelle: Getty Images

Lang warb außerdem für eine offenere Streitkultur. Nach ihrer Einschätzung habe die politische Auseinandersetzung zu sehr an Härte in der Sache verloren, dafür aber an Lärm und Empörung gewonnen. Nur wenn mehr unterschiedliche Meinungen ausgehalten würden und Konflikte deutlicher ausgetragen würden, könne Vertrauen erneuert werden.

Martin Machowecz ergänzte einen dritten Blickwinkel: Nicht die Parteien hätten den Kompromiss verlernt, sondern viele Bürgerinnen und Bürger selbst. Er erinnerte daran, dass bestimmte Themen in Deutschland über lange Zeit tabuisiert worden seien – auch von Medien – was Vertrauen gekostet habe, noch bevor die Politik überhaupt beginnen konnte zu handeln. Bürger, die Kompromisse ablehnen, erschwerten konstruktive Entscheidungen, weil jede Position sofort als Maximalforderung verstanden werde.

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27. August 2022, Berlin: Ferdinand von Schirach raucht auf der Bühne, während er aus seiner neuen Erzählsammlung „Afternoon“ im Berliner Ensemble vorliest. | Quelle: Getty Images

27. August 2022, Berlin: Ferdinand von Schirach raucht auf der Bühne, während er aus seiner neuen Erzählsammlung „Afternoon“ im Berliner Ensemble vorliest. | Quelle: Getty Images

Anschließend rückte Miosga die Diskussion auf ein hochaktuelles Thema: Bundespräsident Frank-Walter Steinmeiers Überlegung, ein AfD-Verbotsverfahren prüfen zu lassen. Von Schirach ordnete dies juristisch ein und erklärte, die derzeitige Einschätzung des Verfassungsschutzes reiche für ein Verbot nicht aus. Er kritisierte zudem, dass Teile eines zugehörigen Gutachtens „zu früh an die Presse“ gelangt seien, was aus rechtsstaatlicher Sicht problematisch sei.

Lang betonte dagegen die grundsätzliche Legitimität eines solchen Verfahrens und stellte klar, dass am Ende immer das Bundesverfassungsgericht entscheide. Allerdings sei ein Verbot einer Ideologie an sich nicht möglich. Machowecz zeigte sich skeptisch, ob Steinmeiers Vorstoß politisch klug gewesen sei.

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10. Oktober 2025, Berlin: Ricarda Lang (Bündnis 90/Die Grünen) spricht während der Debatte im Bundestag. Der Deutsche Bundestag debattiert unter anderem über das geplante Tarifverhandlungsgesetz der Bundesregierung, Gesetze zur Beschleunigung der Vergabe öffentlicher Aufträge und die Industriepolitik. | Quelle: Getty Images

10. Oktober 2025, Berlin: Ricarda Lang (Bündnis 90/Die Grünen) spricht während der Debatte im Bundestag. Der Deutsche Bundestag debattiert unter anderem über das geplante Tarifverhandlungsgesetz der Bundesregierung, Gesetze zur Beschleunigung der Vergabe öffentlicher Aufträge und die Industriepolitik. | Quelle: Getty Images

Von dort verschob sich der Schwerpunkt zwangsläufig zur Frage, warum die AfD überhaupt so stark geworden ist. Ricarda Lang verwies auf sinkende Flüchtlingszahlen und darauf, dass demokratische Parteien die Migrationspolitik inzwischen stärker bearbeiten. Machowecz betonte jedoch, ein jahrelanger Vertrauensverlust verschwinde nicht allein dadurch, dass Statistiken sich veränderten. Von Schirach hob hervor, dass Deutschland mehr Flüchtlinge aufgenommen habe als jedes andere westliche Land und dass die überforderte Infrastruktur eines der zentralen Probleme sei.

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Nach den inhaltlich schweren Diskussionen über Reformen, Vertrauen und Migration zeigte Miosga zum Abschluss TikTok-Videos deutscher Politiker. Zu sehen waren unter anderem Markus Söder beim Döneressen sowie ein Clip, in dem Ricarda Lang in die Kamera zwinkert. Diese Szene führte zu dem Moment, der dem Abend seinen prägnanten Schlagzeileneffekt gab. Von Schirach reagierte direkt und deutlich:

„Es ist mir ein bisschen peinlich“.

Weiter sprach er von einer „Infantilisierung von Politik“. Für ihn illustrieren solche Formate die Tendenz, politische Kommunikation zu stark in Richtung Unterhaltung zu verschieben. Er sah darin eine problematische Vermischung der Sphären, bei der politische Ernsthaftigkeit hinter leicht konsumierbaren Bildern verschwinde.

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Lang hielt dagegen, dass Plattformen wie TikTok reale Orte seien, an denen junge Menschen Politik überhaupt wahrnehmen. Nach ihrer Einschätzung gehe es darum, politische Inhalte dorthin zu bringen, wo sich das Publikum aufhält – ohne die Strukturen der Plattformen unkritisch zu übernehmen. Sie warnte in diesem Zusammenhang vor sozialen Netzwerken in den Händen „von Tech-Oligarchen“, die wirtschaftliche Interessen verfolgten, die mit demokratischen Prinzipien nicht deckungsgleich seien.

Kontext bekam der TikTok-Block zusätzlich durch das Beispiel Markus Söder. Der bayerische Ministerpräsident nutzt Social Media seit Jahren offensiv als Markenraum. Sein „Söder Kebab“-Logo wurde registriert und kann laut den von dir gelieferten Medienberichten auf einem T-Shirt im CSU-Onlineshop gekauft werden. Dazu passen seine bekannten Inszenierungen wie #Söderisst, seine Videos beim Essen bayerischer Spezialitäten und sein ausgeprägtes Selbstmarketing, das auch im DW-Artikel beschrieben wird.

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Zum Ende der Sendung bleibt festzuhalten, dass die Gäste trotz deutlicher inhaltlicher Differenzen einen respektvollen Ton bewahrten. Es gab kein Unterbrechen, keine persönlichen Angriffe und keinen inszenierten Affekt. In einer politischen Kommunikationskultur, die immer häufiger von Übertreibungen und Lautstärken geprägt ist, wirkte dieser höfliche, klare und dennoch intensive Streit fast ungewöhnlich – und wurde gerade deshalb als bemerkenswert wahrgenommen.

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