
Ärztin verklagt, weil sie ihrer 12-jährigen Tochter erlaubt hat, bei einer Notoperation zu „helfen“
Es sind Szenen, die man eher in einem Film erwarten würde – und doch ereigneten sie sich mitten in einer Grazer Klinik. Eine erfahrene Neurochirurgin bringt ihre zwölfjährige Tochter mit in den Operationssaal, während ein Patient nach einem schweren Forstunfall um sein Leben kämpft. Was dann geschieht, führt Monate später zu einem Prozess, der weit über Österreich hinaus für Aufsehen sorgt.

Nutzer zeigt sich fassungslos über das Verhalten der Ärzte | Quelle: Facebook/RTLAktuell
Ein dramatischer Eingriff – und ein unerwarteter „Gast“ im OP
Am 13. Januar wird ein 33-jähriger Mann mit einem schweren Schädel-Hirn-Trauma eingeliefert. Sein Zustand ist kritisch, jede Sekunde zählt. Die Neurochirurgin und ein Kollege beginnen sofort mit der Notoperation. Dass an diesem Tag ein Kind im OP-Saal steht, ist ungewöhnlich – doch die Tochter hatte ihre Mutter zur Arbeit begleitet und durfte mitkommen.

Nutzer zeigt sich fassungslos über das Verhalten der Ärzte | Quelle: Facebook/RTLAktuell
Was dann geschah, ist bis heute umstritten. Laut Anklage soll der zweite Chirurg dem Mädchen den Bohrer gereicht haben, damit sie an der Schädeldecke ein Loch setzen konnte. Die OP-Schwester behauptet, sie habe „vier Hände am Bohrer“ gesehen. Andere wiederum können sich kaum erinnern – nicht einmal daran, ob das Kind überhaupt im Raum war.
Zwischen Stolz, Fassungslosigkeit und Widersprüchen
Die Mutter bestreitet, dass ihre Tochter den Bohrer selbst geführt hat. Sie habe im Hintergrund gearbeitet und nicht genau sehen können, was vorne geschah. Der Chirurg erklärt, das Kind habe lediglich eine Hand auf das Gerät gelegt, während er die volle Kontrolle behielt.

Symbolbild | Quelle: Getty Images
Trotzdem soll die Ärztin nach der OP euphorisch erzählt haben, ihre Tochter habe „gerade ihr erstes Bohrloch gesetzt“. Dieser Satz wird im Prozess mehrfach zitiert – bleibt aber ohne gerichtliche Konsequenz, da nicht beweisbar sei, wie wörtlich er gemeint war.
Ein Patient, der mit den Folgen lebt
Medizinisch verlief die Operation ohne Komplikationen. Ein Gutachten bestätigt, dass die Schädelöffnung fachgerecht ausgeführt wurde. Doch für den Patienten ist die Vorstellung unerträglich, dass möglicherweise ein Kind an seinem Kopf gearbeitet hat.
Er berichtet vor Gericht, dass er noch immer starke Schmerzen habe und: „dass eine Zwölfjährige mich operiert hat“, ihn psychisch stark belaste. Er sei nicht arbeitsfähig und leide unter Schlafstörungen. Für ihn ist der Eingriff nicht nur körperlich, sondern seelisch traumatisierend.

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Der Prozess – und ein Urteil, das viele Fragen offenlässt
Die Anklage lautet auf leichte Körperverletzung. Doch schon früh wird klar, wie schwer der Fall juristisch zu greifen ist. Erinnerungen widersprechen sich, Dokumentationen fehlen, und kein Zeuge kann eindeutig bestätigen, dass das Mädchen selbstständig gebohrt hat.
Die Richterin spricht schließlich beide Ärzte frei – aus Mangel an Beweisen. Ihr Fazit ist bemerkenswert klar:
„Es gibt keine unmittelbaren Zeugen, es ist nicht feststellbar, ob das Kind gebohrt hat.“

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Moralische Fragen seien nicht Gegenstand des Verfahrens, betont sie. Juristisch sei das Verhalten der Ärzte nicht strafbar.
Ein Fehler, der weitreichende Folgen hat
Für die Chirurgin ist dennoch eines klar: Ihre Entscheidung, ihre Tochter mitzunehmen, sei fatal gewesen. „Das war der größte Fehler meines Lebens“, sagt sie hinterher. Sie und ihr Kollege arbeiten inzwischen nicht mehr an der Klinik.
Auch wenn das Urteil freispricht, wirft der Fall ein Schlaglicht auf die fragilen Grenzen im medizinischen Alltag – auf Vertrauen, Verantwortung und die Frage, wie viel Menschlichkeit oder Nähe in hochsensiblen Situationen noch Platz hat.

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Ein Urteil mag gesprochen sein. Doch die Debatte darüber, was im OP-Saal geschehen darf – und was niemals –, hat gerade erst begonnen.
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