
Die Kessler-Zwillinge erklärten 2011 öffentlich, dass sie den Freitod wählen werden - was haben sie gesagt?
Als Alice und Ellen Kessler im Jahr 2011 in der ZDF-Sendung „Markus Lanz“ zu Gast waren, wirkten sie gelassen, charmant – und gleichzeitig überraschend klar in ihren Vorstellungen vom Älterwerden. Damals ahnte niemand, dass ihre Worte 14 Jahre später eine so tiefe Bedeutung bekommen würden.
Doch am 17. November dieses Jahres setzten die berühmten Schwestern aus Grünwald ihren lange zuvor gefassten Entschluss in die Tat um: Sie starben gemeinsam, begleitet durch eine Ärztin und einen Anwalt.

09. Mai 2024, Bayern, München: Die Kessler-Zwillinge Alice und Ellen Kessler stehen in der Pause der Münchner Premiere des Ralph-Siegel-Musicals „Ein bisschen Frieden“ im Deutschen Theater zwischen den Stuhlreihen. | Quelle: Getty Images
Ein Auftritt, der rückblickend unter die Haut geht
In der Sendung vom 8. September 2011, die Millionen Menschen verfolgten, sprachen die Kessler-Zwillinge offen über die Möglichkeit eines selbstbestimmten Endes – für viele damals unerwartet direkt. Sie waren 75 Jahre alt, voller Lebenserfahrung und von der Überzeugung getragen, selbst entscheiden zu wollen, wie sie ihre letzten Jahre gestalten. Schon in diesem Moment formulierten sie Gedanken, die heute, mit dem Wissen um ihren gemeinsamen Abschied, eine besondere Intensität entfalten.
Auf die Frage, wie sie mit schweren Krankheiten umgehen würden, antwortete Ellen Kessler ohne Zögern: „Ich würde heute sagen: Wenn mir so etwas passiert, bringe ich mich um. Ich will nicht so leben.“ Diese deutliche Haltung erregte damals Aufmerksamkeit, löste aber auch Diskussionen aus – besonders in einer Zeit, in der assistierter Suizid nur selten offen thematisiert wurde.

Alice Kessler und ihre Zwillingsschwester Ellen Kessler bei der Verleihung des Bayerischen Verdienstordens im Antiquarium der Residenz am 9. Juli 2025 in München, Deutschland. | Quelle: Getty Images
Der Wunsch nach Selbstbestimmung
Auch Alice Kessler zeigte sich 2011 entschlossen. In Bezug auf den Freitod von Gunter Sachs erklärte sie, sie würde ähnlich handeln, jedoch auf ihre eigene Weise. Beide Schwestern machten klar, dass körperlicher oder geistiger Verfall für sie nicht infrage käme. Mit Blick auf mögliche Demenzerkrankungen sagte Ellen bei Lanz zudem: „Dann bringe ich mich um. Dann wird die Kirche entsetzt sein, aber macht nichts.“
Diese Aussagen wirken heute wie frühe Wegweiser. Denn nach Informationen aus ihrem Umfeld erlitt Ellen Kessler wenige Wochen vor ihrem Tod einen Hirninfarkt. Ob dieser Auslöser dafür war, dass die Schwestern ihren Plan nun tatsächlich umsetzten, ist nicht offiziell bestätigt – doch ihre Worte aus dem Jahr 2011 erhalten dadurch eine erschütternde Aktualität.

Die Entertainerinnen Ellen (L) und Alice Kessler besuchen die Theaterpremiere des Stücks „Josef und Maria“ in der Komödie im Bayerischen Hof in München, Deutschland, 22. November 2017. | Quelle: Getty Images
Untrennbar im Leben – und im Abschied
Für die beiden Künstlerinnen, die seit ihrer Kindheit eine außergewöhnlich enge Verbindung hatten, war eines zentral: Sie wollten ihren letzten Weg gemeinsam gehen. Ellen formulierte das damals klar, als sie sagte, sie könne sich ein Weiterleben ohne ihre Schwester nicht vorstellen. Das Duo, das seit 1936 Seite an Seite durchs Leben ging, wollte diesen Gleichklang bis zum Schluss bewahren.
Alice stimmte ihrer Schwester in der Sendung immer wieder zu. Die Vorstellung, getrennt voneinander zu altern, war für keine der beiden akzeptabel. Ihr gemeinsamer Tod erscheint deshalb als tragischer, aber in ihrer Logik konsequenter Schritt.

Alice und Ellen Kessler | Quelle: Getty Images
Ein Abschied, der Fragen aufwirft und berührt
Ihr letzter Morgen in der gemeinsamen Villa verlief geordnet und begleitet von einer Ärztin – ein Hinweis darauf, dass ihr Entschluss sorgfältig vorbereitet war. Was bleibt, ist das Nachdenken darüber, wie unterschiedlich Menschen ihren eigenen Weg am Lebensende definieren und welche Rolle Autonomie dabei spielt.
So, wie die Schwestern gemeinsam geboren wurden, so verließen sie diese Welt: eng verbunden, und zu einem Zeitpunkt, den sie selbst gewählt hatten.
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