
Prozess in Krefeld: 25-jähriger Angestellter sticht 26 Mal auf seine Chefin ein – er begründet seine Tat
Als sich am zweiten Verhandlungstag im Krefelder Landgericht die Türen zum Sitzungssaal öffnen, liegt eine schwer greifbare Spannung in der Luft. Angehörige, Freunde und frühere Kollegen der getöteten Filialleiterin haben auf den Moment gewartet, in dem der 25-jährige Angeklagte selbst zu Wort kommt. Was dann folgt, erschüttert viele im Saal.
Der junge Mann, ein afghanischer Mitarbeiter der Modekette „New Yorker“, gesteht umfassend, seine 41-jährige Vorgesetzte am 7. Mai mit 26 Messerstichen getötet zu haben. Wochenlang war spekuliert worden, ob ein Raubüberfall der Hintergrund der Tat gewesen sei. Schließlich war der Tresor zum Tatzeitpunkt geöffnet, hohe Bargeldsummen waren im Raum gewesen und bei dem Mann fand die Polizei mehrere Hundert Euro.

Symbolbild | Quelle: Getty Images
Doch ein Schreiben der Finanzbuchhaltung, das der Richter verliest, schafft Klarheit: Es fehlt kein Geld. Laut interner Prüfung „wurde kein Bargeld entwendet.“ Das Geld, das der Angeklagte bei sich trug, hatte er am selben Morgen selbst abgehoben. Damit steht fest – ein Raubmotiv lag nicht vor.
Ein Blick in eine verstörende Gedankenwelt
Warum also kam es zu dieser brutalen Tat? Der Prozess findet als Sicherungsverfahren statt, weil der 25-Jährige nach Einschätzung unter paranoider Schizophrenie leiden soll. Seine Schilderungen lassen erahnen, wie sehr er in einer verzerrten Wahrnehmung gefangen war.
Immer wieder betont er, er sei Ziel massiven Mobbings gewesen. In seiner Vorstellung hätten rund 90 Menschen gegen ihn gearbeitet – Kunden, Mitarbeitende, sogar Fremde, die angebliche Bekannte seiner Chefin gewesen seien. „Ich wurde gemobbt“, behauptet er und später: „Ich habe an dem Tag die Entscheidung getroffen.“

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Nach außen jedoch gab es dafür keinerlei Hinweise. Vielmehr hatte der Mann wegen psychischer Belastungen mehrfach ärztliche Hilfe gesucht und war zeitweise krankgeschrieben. Auch das Jobcenter soll er kontaktiert haben, weil er sich bedroht fühlte.
Der Tag, an dem alles eskalierte
Am Morgen des 7. Mai, so schildert der Angeklagte, habe er ein Küchenmesser eingesteckt – eine Art gedankliche Grenze, abhängig davon, wie der Tag verlaufen würde. Doch als die Situation zwischen ihm und der Filialleiterin aus seiner Sicht erneut eskalierte, verlor er vollständig die Kontrolle. Sie habe ihn „geärgert“. Im Vorraum des Büros kam es schließlich zu der tödlichen Attacke. Als die Frau versuchte zu fliehen, hielt er die Tür zu. Danach verließ er das Gebäude über einen Hinterzugang, wo die Polizei ihn kurze Zeit später festnahm.

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Ein Leben, das kaum begonnen hatte
Erst drei Monate war der Mann zuvor in der Krefelder Filiale tätig, auf Minijobbasis, 42 Stunden im Monat. Für die Kolleg*innen, die im Zuschauerbereich sitzen, ist es schwer nachvollziehbar, wie aus diesem kurzen Arbeitsverhältnis ein solches Gewaltverbrechen entstehen konnte. Die Modekette „New Yorker“ hatte sich bereits kurz nach der Tat bestürzt gezeigt und sprach von tiefer Erschütterung über das Geschehen.
Wie es weitergeht
Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass der Angeklagte zur Tatzeit schuldunfähig gewesen sein könnte. Sollte sich dieser Eindruck im weiteren Verlauf bestätigen, droht ihm nicht eine Gefängnisstrafe, sondern die dauerhafte Unterbringung in einer geschlossenen Psychiatrie.

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Am 26. November soll der Prozess fortgesetzt werden. Viele im Saal hoffen auf Antworten – auch wenn ihnen bewusst ist, dass nichts den Verlust der Frau rückgängig machen kann.
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